Wir „alte Hasen-Mamas“ erschrecken zunehmend, wenn wir mitbekommen, was sich in der Ätherische-Öle-Welt an kuriosen Versprechungen, abstrusen „Therapie“-Empfehlungen und auch an Qualitätssiegel-Prosa tummelt. Arglose und begeisterte Neu-EinsteigerInnen werden zunehmend wortwörtlich an der Nase herum geführt. Denn beim Anwerben für us-amerikanische MLM-Öle-Anbieter, wo nur der (die) wirklich Geld verdienen kann, wenn er (sie) möglichst eine lange Kette an ÖleverkäuferInnen unter sich hat, findet inzwischen ein beunruhigendes Einnebeln der InteressentInnen statt.
Darum zeigen wir im Folgenden einen kleinen Blick in die erweiterte und aktualisierte Neuauflage des Fachbuches Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe (Anfang 2018 erschienen). Die detaillierten Erläuterungen zu den Siegeln können im Internet nachgelesen werden. Es lohnt sich, diese Siegeln zu kennen und sie sich einzuprägen, um beim Einkauf von ätherischen Ölen, ehrlicher Naturkosmetik und auch von einigermaßen naturbelassenen Lebensmitteln den Durchblick zu behalten.
Es ist ratsam, ausschließlich Öle auf Haut und Schleimhäute zu verwenden, die mit einem anerkannten Bio-Siegel ausgezeichnet sind. Das gilt ganz besonders für Öle, die für die Anwendung an Kindern gedacht sind. Klar, es gibt hier wie dort schwarze Schafe, so dass ein Bio-Siegel für Pflanzen, aus denen ein Öl produziert wurde, sinnlos werden kann, wenn beispielsweise das Endprodukt unfachmännisch destilliert, beim Transport zu stark erhitzt wurde oder falsch (und „ewig“) gelagert. Doch immerhin ist die Wahrscheinlichkeit höher, ein hervorragendes und gut verträgliches Öl zu kaufen, wenn eines der folgenden Sigel vergeben wurde, als bei 0815-Drogeriemarkt-Ware oder Flohmarkt-Ware.
Von Firmen selbst geschaffene „Siegel“ sowie selbst verliehene Auszeichnungen sollten aufhorchen lassen, denn diese beziehen sich meistens „nur“ auf mehr oder weniger ausführliche Analysen, welche an den fertigen ätherischen Ölen – also nach der Destillation – durchgeführt worden (was bei und vor der Ernte auf den schier endlosen Plantagen stattfand, ist dafür unwesentlich). Nicht gewollte Moleküle (etwa von Pestiziden oder von Erntemaschinen-Abgasen) können im Labor dann einfach entfernt werden.
Solche Analysen sind heute allerdings völlig selbstverständlicher Gold-Standard, denn in der Branche wird schon immer gelogen, verlängert, betrogen, verschnitten und reichlich aufgehübscht. Das ist kein aktuelles Phänomen: Bereits zu unseren Anfängen vor über 30 bzw über 20 Jahren wurde mit ätherischen Ölen viel Unsinn getrieben, denn mit Naturdüften und erst recht mit Pseudo-Naturdüften kann sehr viel Geld verdient werden. Kein deutschsprachiger Öleanbieter würde sich mit solchen Analysen brüsten! Diese werden seit Jahrzehnten durchgeführt, inzwischen engmaschiger und ausführlicher denn je. Sogar wir als Zweifrau-Firma könnten solche Analysen in Auftrag geben, sollten wir uns mit einem Öl nicht wohlfühlen, die Kosten sind inzwischen wirklich gut bezahlbar (bereits ab unter 80 € je nach Umfang).
Kein deutschsprachiger Anbieter würde sich wegen seiner Ach-so-tollen-Analyse-Ergebnisse irgendwelche Buchstabenkombinationen „auf die Etiketten kleben“. Dieser umsichtige Umgang mit ätherischen Ölen ist doch selbstverständlich! Dieses offenbar sehr amerikanische Bedürfnis schwappt nun zwecks Kundenfang nach Europa. Mit jeweils über einer Milliarde Dollar Umsatz (Stand 2015 und 2018) wollen sich die beiden größten dieser Anbieter nicht zufrieden geben. Einer von beiden gibt sich zudem mit „nur drei Millionen unabhängiger RepräsentantInnen“ nicht zufrieden. Das aufdringliche Anwerben von KundInnen nimmt aus diesem Grund immer aggressivere Züge an. Es wird bereits von „Missionierung“ und „JüngerInnen“ gesprochen: Wer sich näher mit dem Thema beschäftigt, erfährt auch ganz schnell, warum: Ein Blick auf die us-amerikanischen Adressen dieser Anbieter, die sich teilweise nicht „grün“ sind, gibt Aufschluss.
Menschen, die Anbau-Siegel vergeben, überprüfen, dass bereits bei der Pflanze ein anständiger Umgang stattfindet: Ob der Anbau nachhaltig, umweltfreundlich, menschenfreundlich und möglichst auch mit fairer Entlohnung stattfindet. Werbung mit Industrie-Siegeln sollte mit Vorsicht genossen werden (einst wurde beispielsweise AFNOR zu Marketingzwecken von einem der Milliardenumsätze eines MLM-Öleanbieters verwendet, bis der Versuch der Irreführung breitflächig erkannt wurde): Mit letzteren werden Größen, Gewichte und vor allem Produktions-Abläufe etc zertifiziert, was nicht automatisch hervorragende Qualitätsstandards für die End-Produkte bedeutet. Die folgende Liste stellt wichtige Qualitätssiegel vor, sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
ABAgriculture Biologique: höchstmögliche Bio-Qualität, nur für Öle aus der EU
AFNORAssociation Francaise de Normalisation: Normierung von industriellen Produkten, kein Zusammenhang mit Bio-Qualität
BDIHBundesverband deutscher Industrie- und Handelsunternehmen für Arzneimittel, Reformwaren, Nahrungsergänzungsmittel und Körperpflegemittel: Qualitätsrichtlinien u. a. für Naturkosmetik
Bio Suisse: einer der höchsten Biostandards der Welt
Demeter: höchstmögliche Bio-Qualität, Pflanzen aus biologisch-dynamischer Landwirtschaft
BIODeutsches staatliches Bio-Siegel: Mindest-Kriterien, die der EG-Öko-Verordnung genügen
ecocert(Siegel Biokosmetik & Siegel Naturkosmetik): einst erste Zertifizierungsstelle mit Standards für Natur- und Biokosmetik
EU-Bio-Logo: seit Juli 2010, gilt EU-weit als verbindliches Bio-Siegel
Fair Trade: kann, muss jedoch nicht Bio-Qualität sein
Fairwild: seit 2008 an den WWF angegliedert; kann, muss jedoch nicht Bio-Qualität sein
IFOAMInternational Federation of Organic Agriculture Movement: Dachverband internationaler Organisationen der biologischen Landwirtschaft
ISOInternational Standardization Organisation: Normierung von industriellen Produkten, kein Zusammenhang mit Bio-Qualität
Natrue: sehr strenge Richtlinien für naturkosmetische Produkte
Nature & Progrès: höchstmögliche Bio-Qualität für Kosmetika und Lebensmittel
Das Copyright © der Siegel liegt bei dem jeweiligen Verein/Verband, das Copyright © dieser Zusammenstellung liegt bei Eliane Zimmermann.